Minding Animals Germany Symposium 2022: Tiere – Klimawandel – globale Gesundheit

Minding Animals Germany Symposium 2022: Tiere – Klimawandel – globale Gesundheit

Die Vorträge des Symposiums sind jetzt auf Youtube verfügbar:
https://www.youtube.com/playlist?list=PL3NHpHL7bAZdwI-UM36_q71nVhwKaiT7P


Das Minding Animals Germany Symposium 2022 wird in diesem Jahr von der Berliner Landestierschutzbeauftragten organisiert und findet am 27. August 2022 in Berlin und online statt (Hybridveranstaltung).

Es gibt nun keine Plätze mehr für die Präsenzveranstaltung, aber Sie können online über Zoom teilnehmen. Hier der Link zur Registrierung: https://jh.zoom.us/webinar/register/WN_n05CNm2ZQMmMa2qbG7FdqQ

Minding Animals ist ein internationales und interdisziplinäres Netzwerk aus Akademiker:innen, Aktivist:innen und Künstler:innen, das das Ziel hat, das Wohl und den Schutz der Tiere zu fördern. Die deutschsprachige Minding Animals Gruppe veranstaltet einmal im Jahr ein Symposium.

Während des diesjährigen Symposiums möchten wir das Zusammenspiel zwischen Klimawandel, Haltung landwirtschaftlich genutzter Tiere und globaler Gesundheit beleuchten und über effektive Maßnahmen gegen den Klimakollaps, für mehr Tierschutz und die Verbesserung der öffentlichen Gesundheit diskutieren.

Die Teilnahme am Symposium ist kostenfrei. Eine vorherige Anmeldung ist für die Teilnahme unerlässlich.

Minding Animals Germany Symposium Programm:

10:00 – 10:30 Gedanken zu möglichen Traumatisierungen bei Aktivist:innen aus psychotraumatologisch/psychosomatischer Sicht – Dr. Angela Maass, Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Psychotraumatologie, Hamburg

10:30 – 11:00 Tierrechtsbildung – Prof. Dr. Kai Horsthemke, University of the Witwatersrand, Südafrika & KU Eichstätt-Ingolstadt

11:00 – 11:30 Limen – Rosie Benn, Künstlerin & Florian Heinze, Christian-Albrechts Universität Kiel

11:30 – 12:00 Pause

12:00 – 12:30 Tierschutz durch Klimaklagen? – Felix Aiwanger, Juristische Fakultät, LMU München

12:30 – 13:00 Positivliste: Regulierung des Handels mit und der Privathaltung von Wildtieren – Katharina Lameter, Pro Wildlife e.V.

13:00 – 13:30 Biozyklisch-veganer Anbau: vegane Grundsätze bis aufs Feld zurückdenken! – Anja Bonzheim, Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau

13:30 – 14:30 Mittagspause

14:30 – 15:00 Gegen Klimawandel und Tierausbeutung: Was kann ich persönlich beitragen? – Dr. Kathrin Herrmann, Berliner Landestierschutzbeauftragte

15:00 – 15:30 Potenzielle Übergangswege hin zu einer kultivierten Landwirtschaft: Wahrnehmungen von deutschen und finnischen Interessenvertreter:innen – Jana Moritz, Universität Helsinki und CellAg Deutschland

15:30 – 16:00 In-vitro-Fleisch zum Wohl der Tiere? Soll die Tierrechts/Tierbefreiungsbewegung in-vitro-Fleisch unterstützen? – Dr. Arianna Ferrari, Tierethikerin

16:00 – 16:30 Pause

16:30 – 17:00 Anders satt: Wie der Ausstieg aus der Tierindustrie gelingt – Dr. Friederike Schmitz, Tierethikern und Publizistin

17:00 – 17:30 Ausstieg aus der Tierhaltung: Neues Informationsportal für Landwirt:innen – Stefanie Schindler, Menschen für Tierrechte

17:30 – 18:30 Gemeinsamer Ausklang im Innenhof des Hauses der Demokratie und Menschenrechte

Der Einwahllink zur Onlineteilnahme wird kurz vor dem Symposium die Online-Teilnehmer:innen versendet.

Abstracts und Kurzbiografien der Sprecher:innen (in chronologischer Reihenfolge des Programms):

Angela-Birgit Maass

Kurzbiografie

Angela-Birgit Maass studierte Altphilologie, Anglistik und Romanistik in Berlin, anschließend Studium der Humanmedizin in Messina, Berlin und München. Dr. Maass promovierte im Fach Neuropädiatrie. Sie erforschte als leitende Ärztin nach Paragraf 40/41 AMG Arzneimittel gegen HIV, Influenza und Krebs sowie Antibiotika. Dann ließ sie sich als Fachärztin für Psychosomatik, Psychotherapeutische Medizin und Psychotraumatologie in Hamburg mit eigener Praxis nieder. Seit ihrer Jugend ist Dr. Maass im Tierschutz aktiv, seit den Neunzigern auch für Tierrechte. Sie hält regelmäßig Vorträge zu den Themen: Vegane Ernährung; Geschichte und Psychologie des Fleischkonsums; Kommunikation zwischen Menschen, die Fleisch essen und die es nicht tun; Traumata im Tierrechtsaktivismus.

Abstract

Gedanken zu möglichen Traumatisierungen bei Aktivist:innen aus psychotraumatologisch /psychosomatischer Sicht – Ein Review aus 20 Jahren Ärztlicher Erfahrung

In diesem Beitrag geht Dr. Maass folgenden Fragen nach: Erleiden Aktivisten in ihrer täglichen Arbeit Traumata? Was sind Traumata? Welche Formen gibt es? Was sind mögliche Auswirkungen von Traumata auf die Psyche von Menschen und welche Auswirkungen haben diese auf Aktivisten? Können sie die Arbeit von Aktivisten behindern? Und wenn ja, in welcher Form? Gibt es Möglichkeiten dagegen anzugehen/gegenzusteuern? Was ist ein Burnout und in welchem Alter tritt es vorzugsweise auf? Ist die Altersgrenze in diesen Zeiten nach vorne verschoben? In diesem Vortrag soll, auch anhand von Patient:innenbeispielen, aufgezeigt werden, was die Beschäftigung mit Tierschutz und Tierrechtsaktivismus für Körper und Seele bedeuten kann. Es wird auch diskutiert werden, was es an Schutzmechanismen zur Verminderung der verletzenden Faktoren, wie z.B. des Ausbrennens gibt, sowie, was zur Stärkung der Resilienz beiträgt, um einer Schwächung des Aktivismus bei einzelnen sowie der gesamten Bewegung so weit wie möglich entgegenzuwirken.

Kai Horsthemke

KurzbiographieProf. Dr. Kai Horsthemke ist Visiting Professor an der University of the Witwatersrand, Südafrika, Fellow am Oxford Centre for Animal Ethics, England, und Lehrbeauftragter für Bildungsphilosophie und Systematische Pädagogik, KU Eichstätt-Ingolstadt. Er ist der Autor von The Moral Status and Rights of Animals (Porcupine Press, 2010), Animals and African Ethics (Palgrave Macmillan, 2015), Animal Rights Education (Palgrave Macmillan, 2018) und Indigenous Knowledge: Philosophical and Educational Considerations (Lexington Books, 2021) und der Herausgeber von Education Studies (Oxford University Press Southern Africa, 2013 und 2016, 2. Auflage).

Abstract

TierrechtsbildungNachdem sich die Tierpsychologie und die Tierethik als ernstzunehmende Themen- und Praxis-Bereiche vor rund 50 Jahren in der Philosophie etabliert haben, finden sie in der Bildungsphilosophie überraschenderweise erst neuerdings Beachtung. Die psycho-physische Kontinuität zwischen Menschen und Tieren hat tiefgreifende ethische und pädagogische Implikationen und stärkt das Plädoyer für eine tierzentrierte (im Gegensatz zur menschzentrierten) Erziehung und Bildung. Kernfragen sind diesbezüglich: Führt antirassistische und antisexistischen Bildung demnach notwendigerweise zur antispeziesistischen Bildung? Gibt es eine logische Verbindung zwischen Menschenrechtsbildung und Tierrechtsbildung? Dieser Vortrag befasst sich im Wesentlichen mit theoretischen Bemühungen, den ethischen Status und die Beachtung von Tieren zur dringlichen Aufgabe der Pädagogik zu machen:

· Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung, Biophilie und Ökophilie;

· Humane Bildung und Theriophilie/Tierliebe;

· Philosophischer Posthumanismus, kritische Pädagogik und Ökopädagogik;

· Kritische Tierstudien und tierliche Standpunkttheorie;

· Vegane Bildung und Erziehung.

Aus jedem dieser Ansätze lassen sich generative Forschungsfragen, Impulse und Aufgaben für den Unterricht ableiten. Allerdings zeigen sich jeweils auch beträchtliche Schwächen. Als eine stringente Alternative wird hier die Tierrechtsbildung vorgestellt, in der die soziale Gerechtigkeit und die Entwicklung von entsprechenden moralischen Affekten gleichermaßen berücksichtigt werden. Angesichts des ursprünglichen Interesses der meisten Kinder an Tieren sollte dies einfacher sein, als allgemein angenommen wird. Es erfordert jedoch dezidiertes Engagement und konsequente Bemühungen seitens der Betreuer- und Erzieher:innen, also der Eltern und Lehrer:innen.

Rosie Benn und Florian Heinze

Kurzbiographien

Rosie Benn ist eine transdisziplinäre Künstlerin mit Sitz in Wien, die sich von dialogischer Ästhetik, kritischer Theorie und queeren Ökologien inspirieren lässt. Ihre Praxis erforscht Umweltdiskurse durch nicht-lineare Erzählungen und wendet die Technik der Collage auf verschiedene Medien an. Rosie schloss ihren MA in Kunst & Wissenschaft an der Universität für angewandte Kunst Wien ab. Ihr aktuelles, vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Bildung gefördertes Projekt erforscht mit künstlerischen Mitteln die Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Arten in der Biozyklisch-Veganen Landwirtschaft.

Florian Heinze studierte im Bachelor Philosophie und Biologie an der Universität Osnabrück und ist aktuell dabei seinen Master in Praktischer Philosophie der Wirtschaft und Umwelt an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel abzuschließen. In seiner Masterarbeit beschäftigt er sich mit Mensch-Wildtier-Konflikten in der Biozyklisch-Veganen Landwirtschaft. Zusätzlich arbeitet und referiert er zu weiteren Themenkomplexen, die Mensch-Wildtier-Verhältnisse betreffen, wie Jagd und Interventionen zum Wohl von Tieren in die Wildnis.

Abstract

Limen

Gibt es eine Grenze zwischen Natur und Kultur? Wenn ja, wo verläuft sie? Vielleicht an den Zäunen, die Landwirt:innen aufstellen, um ihre angebauten Güter vor wilden Tieren zu schützen? Dort wo die landwirtschaftliche Kulturfläche von dem Wald, der Natur, getrennt oder vielmehr geschützt wird? In diesem Beitrag wollen wir uns auf wissenschaftlich-künstlerische Weise mit dem Limen, dem Grenzbereich zwischen Mensch und Tier, Natur und Kultur nicht nur beschäftigen, sondern ebendiesen auch in Frage stellen. Denn wenn wir davon ausgehen, dass es einen Grenzbereich gibt, dann stimmen wir auch zu, dass es einen Mensch/Tier- und Natur/Kultur-Dualismus gibt. Doch diese Gegensätze in Frage zu stellen, ist eine der zentralen Aufgaben der Critical Animal-Studies. Tragen diese Konstrukte doch zur permanenten Abwertung von allem nicht-menschlichem Leben bei. So soll zum Beispiel aufgezeigt werden, dass in der Konstruktion „des Menschen“ ein Ausschluss von der sogenannten Natur, die unter anderem in der eigenen, immer vorhandenen körperlichen Vulnerabilität besteht, enthalten ist. Das dient dazu, das „Tierische“ als zentralen Anteil des „Menschlichen“ zu verschleiern. Die aktuelle sozio-ökologische Krise verdeutlicht, dass wir unsere Verwobenheiten mit anderen Tieren und Ökosystemen anerkennen müssen. Denn um dieser Krise adäquat begegnen zu können, ist ein Verständnis dafür (nur) ein Teil eines größeren Ökosystems zu sein sowie der Abhängigkeit von dessen Stabilität essenziell. Es ist dieser Ansatz der Interrelationalität mit anderen Lebewesen und Lebensformen, den wir in unserem Beitrag, an Beispielen von Mensch-Wildtier-Interaktionen- und Verhältnissen in der Biozyklisch-Veganen Landwirtschaft, beleuchten wollen. Die beiden Vortragenden beginnen ihren Beitrag mit einem Film von Rosie Benn, der den Titel `Limen’ trägt. Im Film wird sich auf künstlerische Weise mit Biozyklisch-Veganer Landwirtschaft befasst. Dabei wird der Archetyp der Limen, Kreaturen, die in der Mythologie oft als die Verschmelzung zwischen Mensch und Nicht-Mensch erscheinen, beleuchtet. Es ist eine Erkundung von Praktiken, die zur Konvivialität mehrerer Spezies beitragen, die auf der Interpretation des Grenzbereichs als Ort des Wandels basiert. Daraufhin wird Florian Heinze mit Bezug auf die Critical Animal-Studies Literatur sowie eigens durchgeführte Interviews mit Landwirt:innen, die Biozyklisch-Veganen Anbau betreiben und über ihren Umgang mit Konflikten mit Wildtieren berichten, an die im Film aufgeworfenen Themen anknüpfen und versuchen eine post-anthropozentrische Perspektive auf diese zu eröffnen.

Felix Aiwanger

Kurzbiographie

Felix Aiwanger ist Volljurist und seit 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Dr. Anatol Dutta am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Von 2018 bis 2022 arbeitete er an seiner Dissertation zu Strategien der Haftungsflucht in Offshore-Rechtsordnungen mit Forschungsaufenthalt bei Martin Kenney & Co. Solicitors, Britische Jungferninseln. Herr Aiwanger ist aktives Mitglied in der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht, wo er an Gutachten mitwirkt und Anfragen bearbeitet.

Abstract

Tierschutz durch Klimaklagen?

Klimaklagen sind auf dem Vormarsch. Staaten wie private Akteure werden dazu verurteilt,Klimaziele einzuhalten. Während sich Klagen gegen Staaten auf allgemeine Zielvorgabenrichten und die nähere Ausgestaltung der Mittel und Wege zu diesen Zielen dem politischenProzess überlassen, geht es bei Klagen gegen private Unternehmen darum, einzelneklimaschädliche Aktivitäten des jeweiligen Unternehmens zu unterbinden. So hatinsbesondere die Rechtbank Den Haag den Mineralöl- und Erdgaskonzern Shell dazuverurteilt, die Emissionen bei seiner Produktion zu reduzieren und vor mehreren deutschenGerichten sind Klagen gegen Autohersteller anhängig, die den Verkauf von Fahrzeugen mitVerbrennungsmotor zurückdrängen wollen. Auf den ersten Blick lassen sich die hier ins Feld geführten rechtlichen Gründe genauso auf die Klimafolgen industrieller Tierhaltung übertragen, die zu einer entsprechenden Haftung von Fleischkonzernen führen könnten. In der Tat wurden bereits erste Schritte für Verfahren auf dieser Basis in Italien und den Niederlanden unternommen. Welche Besonderheiten ergeben sich für Klimaklagen in diesem Sektor? Wie sind ihre Erfolgsaussichten nach deutschem Recht zu beurteilen angesichts der Einwände, die generell gegen private Klimahaftung erhoben werden? Und wäre ein auf diese Weise erreichter Schutz tierlicher Interessen minderwertig, weil ihm der Schutz menschlicher Interessen als primäres Motiv zugrunde liegt? Indem der vorliegende Beitrag diesen Fragen nachgeht, zeigt er auf, dass Tierschutz, Klimaschutz und letztlich ebenso Gesundheitsschutz der für das Recht typischen Tendenz zum Opfer fallen, komplexe Sachverhalte zu fragmentieren.

Katharina Lameter

Kurzbiografie

Katharina Lameter, M.Sc. ist Biologin und arbeitet seit vier Jahren hauptberuflich als Projektleiterin bei der Tier- und Artenschutzorganisation Pro Wildlife e.V. Unter anderem leitet sie dort die Deutschland-Kampagne im Bereich Wildtierhandel und -haltung. Pro Wildlife setzt sich national und international dafür ein, dass Wildtiere besser geschützt werden.

Abstract

Positivliste: Regulierung des Handels mit und der Privathaltung von Wildtieren

Der internationale Wildtierhandel stellte eine existentielle Bedrohung für tausende Wildtierarten und somit für die Biodiversität dar. Auch in Deutschland werden jedes Jahr hunderttausende Wildtiere als Heimtiere angeboten. Dabei unterliegen die Handelswege über Börsen, Online-Inserate und die Sozialen Medien ebenso einem ständigen Wandel, wie das immer größer werdende Artenspektrum. Bislang wird versucht die negativen Folgen des Wildtierhandels mit Verbotsvorschriften auf nationaler und internationaler Ebene einzudämmen. Diese sind jedoch reaktiv und greifen damit zu spät und zu kurz. Internationale Artenschutzvorschriften treten erst in Kraft, wenn nachgewiesen werden kann, dass eine Tierart schon massiv dezimiert wurde, Tierschutzvorschriften, wenn systemimmanente Missstände über einen langen Zeitraum bestanden haben und Handelsverbote zur Verhinderung von Seuchen, wenn deren Ausbreitung bereits begonnen hat. Daher fordern Tier- und Artenschutzorganisationen die Einführung einer Positivliste für Heimtiere. Bei einer Positivliste handelt es sich um eine präventive Regelung, die den Handel mit und die Haltung von Heimtieren nur erlauben, wenn die betroffene Tierart bestimmte, zuvor festgelegte Kriterien erfüllen. Neben Tier-, Arten-, und Naturschutz müssen hierbei auch Gesundheits- und Sicherheitsrisiken berücksichtigt werden. Bereits neun EU-Länder haben Positivlisten für bestimmte Tiergruppen beschlossen. In zahlreichen weiteren EU-Ländern und auch auf EU-Ebene selbst wird derzeit über die Einführung von Positivlisten diskutiert. Auch Deutschland muss sich seiner Verantwortung als Hauptabsatzmarkt stellen und den Handel und die Privathaltung von Wildtieren nachhaltig begrenzen. Die Einführung einer Positivliste schützt nicht nur Mensch und Tier, sondern erleichtert auch den Vollzug. Einmal implementiert, könnte eine Positivliste zudem ein Anstoß sein, auch über eine Umgestaltung anderer Bereiche des Tier- und Artenschutzrechts nachzudenken.

Anja Bonzheim

Kurzbiographie

Anja Bonzheim lebt in Marburg und hat Ökolandbau und Vermarktung sowie Öko-Agrarmanagement an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde studiert. In ihren Abschlussarbeiten beschäftigte sie sich intensiv mit dem Thema des veganen Ökolandbaus in Deutschland. Mittlerweile koordiniert sie ein Projekt zum Aufbau von biozyklisch-veganen Wertschöpfungsketten und ist Vorstandmitglied im Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.V. Mit Vorträgen und Artikeln setzt sie sich für die Verbreitung des biozyklisch-veganen Anbaus im deutschsprachigen Raum ein.

Abstract

Biozyklisch-veganer Anbau: vegane Grundsätze bis aufs Feld zurückdenken!

Anja Bonzheim wird den biozyklisch-veganen Anbau vorstellen, eine Form des ökologischen Landbaus, die ganz ohne landwirtschaftliche Nutztierhaltung und den Einsatz von Düngemitteln tierischen Ursprungs, wie z.B. Gülle oder Schlachtabfälle, auskommt. Sie wird uns zeigen, dass vegane Grundsätze auch im Ökolandbau möglich und erstrebenswert sind, wie Nährstoffversorgung und Pflanzenschutz ablaufen können und welche Möglichkeiten der Nutzung von Grünland diese Anbauform vorsieht.

Kathrin Herrmann

Kurzbiographie

Kathrin Herrmann ist europäische Fachtierärztin für Tierschutz, Tierethik und Tierschutzrecht und seit November 2020 Berlins Landestierschutzbeauftragte. Sie hat im Bereich der biomedizinischen Wissenschaften promoviert und war fast 10 Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Landesamt für Gesundheit und Soziales für die tierschutzrechtliche und wissenschaftliche Prüfung von Tierversuchsanträgen sowie die Überwachung von Versuchstierhaltungen zuständig. Seit 2017 arbeitet Dr. Herrmann am Center for Alternatives to Animal Testing (CAAT) der Johns Hopkins University, USA. Dort lehrt sie auch weiterhin online. Um die Öffentlichkeit über Tierversuche zu informieren und auf die Dringlichkeit eines Paradigmenwandels hin zu ethisch vertretbaren, human-relevanten Forschungsmethoden aufmerksam zu machen, initiierte sie einen Sammelband zum Thema: Animal Experimentation: Working Towards a Paradigm Change kann kostenlos herunterladen werden. Weitere Arbeitsschwerpunkte von Kathrin Herrmann sind die landwirtschaftliche Tierproduktion und ihr Einfluss auf das kollabierende Klima sowie ihr Beitrag zur Umweltverschmutzung und Umweltzerstörung, zur vermehrten Entstehung von Zoonosen und Antibiotikaresistenzen sowie auf ernährungsbedingte Erkrankungen des Menschen.

Abstract

Gegen Klimawandel und Tierausbeutung: Was kann ich persönlich beitragen?

Die Klimakrise ist als die größte Gesundheitsgefahr des 21. Jahrhunderts anzusehen. Es ist mittlerweile vielen Bürger:innen bekannt, dass die Klimakrise menschengemacht ist und insbesondere jüngere Menschen, die um ihre Zukunft bangen, haben sich deshalb der Fridays for Future-Bewegung angeschlossen, an der sich mittlerweile 117 Millionen Menschen aus 224 Ländern beteiligten und schnelle, konkrete und wirksame Schritte gegen den Klimawandel forderten. Was können wir sonst noch alles tun gegen den Klimakollaps, gegen das Artensterben, gegen die Tierausbeutung – und letztendlich gegen unseren eigenen Untergang? Dieser Vortrag wird zuerst neuste Zahlen und Fakten präsentieren, die die Dringlichkeit zum Handeln demonstrieren. Dann werden Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, mit denen jede/r einzelne von uns einen wichtigen Beitrag leisten kann. Manche Maßnahmen mögen unbequem klingen. Jedoch sollten wir die Augen vor der offensichtlich kritischen Lage unseres Planeten nicht länger verschließen und endlich handeln.

Jana Moritz

Kurzbiographie

Jana Moritz ist Doktorandin an der Universität Helsinki im Rahmen des Doktorandenprogramms für politische, gesellschaftliche und regionale Veränderungen. Sie ist Teil des Forschungsteams „future sustainable food systems (F²)“. Jana‘s Forschung konzentriert sich auf die zelluläre Landwirtschaft und insbesondere auf kultiviertes Fleisch als eine Lösung für eine nachhaltigere Zukunft. Außerdem ist sie Mitbegründerin des Vereins CellAg Deutschland in Berlin, wo es um die Sichtbarkeit und Aufklärung der zellulären Landwirtschaft geht.

Abstract

Potenzielle Übergangswege hin zu einer kultivierten Landwirtschaft: Wahrnehmungen von deutschen und finnischen Interessenvertreter:innen

Die Klimakrise ist allgegenwärtig und setzt das derzeitige System unter Druck, den Status quo zu ändern und nachhaltiger zu werden. Die Weltbevölkerung wird Prognosen zufolge bis zum Jahr 2050 auf zehn Milliarden Menschen anwachsen. Es wird eine Herausforderung sein, diese alle zu ernähren. Ein Teil des derzeitigen Systems sind die auf Viehzucht basierenden landwirtschaftlichen Praktiken und ihre negativen Effekte wie Abholzung, Gesundheitsprobleme und Tierleid. Eine neue Technologie, die verspricht, diese negativen Effekte zu verringern, ist die zelluläre Landwirtschaft, bei der durch Gewebezüchtung tierische Produkte hergestellt werden, ohne dass hierfür Tiere getötet werden müssen. Eines der bekanntesten Produkte ist kultiviertes Fleisch, ein Produkt, das in einem Bioreaktor durch Zellkulturen gezüchtet wird. Kultiviertes Fleisch ist ein Beispiel für eine radikale Nischeninnovation, die Lösungen zur Verbesserung des Tierschutzes bieten und die derzeitige Art der Viehzucht verändern könnte. Die vorliegende Studie zielt darauf ab, die Wahrnehmung von 25 politischen Interessenvertreter:innen aus Deutschland und Finnland zu kultiviertem Fleisch zu analysieren. In dieser Präsentation wird die „multi-level“-Perspektive (MLP) von kultiviertem Fleisch erörtert. Die MLP ist ein theoretischer Rahmen, auf den sich die Analyse stützt, um kultiviertes Fleisch als Nischeninnovation zu verstehen und potenzielle Übergangswege aufzuzeigen, die es in Deutschland und Finnland nehmen könnte. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl finnische als auch deutsche Interessenvertreter:innen Vor- und Nachteile in der Entwicklung von kultiviertem Fleisch sehen. Die finnischen Interessenvertreter:innen neigen dazu, den Übergang vom derzeitigen System zur zellulären Landwirtschaft als einfacher zu betrachten als die deutschen Interessenvertreter:innen.

Arianna Ferrari

Kurzbiographie

Dr. Arianna Ferrari hat zu ethischen und epistemischen Aspekten der gentechnischen Veränderung von Tieren in der biomedizinischen Forschung promoviert. Sie hat zu Mensch-Tier-Beziehungen und technischen Innovationen publiziert und das erste Projekt zur Ethik von In-vitro-Fleisch geleitet. Sie arbeitet als Referentin für neue Technologien in einer Umweltorganisation.

Abstract

In-vitro-Fleisch zum Wohl der Tiere? Soll die Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung In-vitro-Fleisch unterstützen?

Allgemein anerkannt ist mittlerweile die Notwendigkeit, die sogenannten Tierbestände in der westlichen Welt aus Klimagründen zu reduzieren (im Europa spricht man von einer Reduktion zwischen 50% und 80%). Einige Aktivist:innen der Tierschutz- und zum Teil der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung sehen aber in In-vitro-Fleisch eine wichtige Strategie, um den Fleischkonsum zu beenden. Organisationen wie The Good Food Institute und ProVeg International haben spezifische Förderprogramme für diese Innovation und arbeiten zum Teil mit der Fleischindustrie zusammen.

In diesem Vortrag wird die These vertreten, dass es nicht Aufgabe einer Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung ist, In-vitro-Fleisch zu unterstützen. Der Beitrag dieser Innovation ist nicht nur aus bestimmten ökologischen Gründen fragwürdig (Strombedarf, Skalierbarkeit und Zeitrahmen), sondern kann sogar konkrete und sofortige Maßnahmen für eine Ernährungswende in Richtung pflanzlicher Ernährung im Wege stehen. Außerdem sollte die zunehmende Allianz mit der Fleischindustrie, die nicht nur ökonomischer, sondern sprachlicher und ideologischer Natur ist, ein Dorn im Auge einer Bewegung sein, die sich für das Wohl der Tiere einsetzt.

Friederike Schmitz

Kurzbiographie

Dr. Friederike Schmitz ist Tierethikerin, Sachbuch-Autorin und Aktivistin. Im Oktober 2022 erscheint ihr neues Buch „Anders satt: Wie der Ausstieg aus der Tierindustrie gelingt“ (Ventil Verlag). Zuletzt hat sie die Bücher „Tiere essen – dürfen wir das?“ (2020, Metzler Verlag) und „Tierethik kurz + verständlich“ (2017, Compassion Media) veröffentlicht. Sie engagiert sich u.a. im überregionalen Aktionsbündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“.

Abstract

Anders satt: Wie der Ausstieg aus der Tierindustrie gelingt

Selbst hartgesottene Fleischfans sind empört, wenn sie erfahren, wie Tiere in Mastanlagen leiden müssen. Die Massenproduktion von Fleisch, Milch und Eiern heizt außerdem die Klimakrise an und gefährdet unsere Gesundheit. Wer sich mit der Realität der Tierindustrie und ihren Folgen beschäftigt, dem wird schnell klar: So kann es nicht weitergehen. Aber wie schaffen wir die Wende? Der Vortrag zeigt, was jetzt zu tun ist – und was wir dabei gewinnen können. Statt einem bloßen Umbau der Tierhaltung oder einer leichten Verringerung des Fleischkonsums braucht es eine politisch organisierte, umfassende Transformation von Landwirtschaft und Ernährung. Die Vorteile sind gewaltig: Wenn wir primär auf pflanzliche Nahrungsmittel setzen, können wir Treibhausgase in Böden und Wäldern einlagern, Artenvielfalt wiederherstellen und ein neues Verhältnis zu Tieren entwickeln. Dazu liefert der Vortrag ein konkretes Maßnahmenpaket und diskutiert Möglichkeiten, wie soziale Bewegungen eine Umsetzung dieser Maßnahmen vorantreiben können.

Stefanie Schindler

Kurzbiographie

Stefanie Schindler studierte Veterinärmedizin an der JLU Gießen. Sie promovierte in der Arbeitsgruppe von Thomas Hartung an der Universität Konstanz über die Entwicklung und Validierung des In-vitro-Pyrogentests (IPT) (heute MAT). Ab 2008 war Dr. Schindler bei der Stiftung Animalfree Research in Zürich, erst als wissenschaftliche Mitarbeiterin, später dann als Leitung der Bereiche Bildung, Beratung und Forschung. Seit Februar 2020 ist sie bei den Menschen für Tierrechte als Fachreferentin für tierversuchsfreie Methoden; seit Beginn des Jahres 2022 bearbeitet Stefanie Schindler zusammen mit Christina Ledermann den neugeschaffenen Fachbereich „Ausstieg aus der Tierhaltung“ in der Landwirtschaft.

Abstract

„Ausstieg aus der Tierhaltung“: Neues Informationsportal für Landwirt:innen

Um das langfristige Ziel – eine grundsätzliche Änderung des Mensch-Tier-Verhältnisses – zu erreichen, setzen sich Stefanie Schindler und Kolleg:innen für den Ausstieg aus der Tierhaltung und für eine Ernährungswende auf Basis pflanzlicher Eiweiße ein. Die Politik verfolgt dieses Ziel nicht explizit. Es gibt zwar Organisationen, die Landwirt:innen beraten, Universitäten, die dazu forschen und verschiedene Förderprogramme, doch diese Informationen sind nirgends zentral zusammengefasst. Deswegen startet der Bundesverband Menschen für Tierrechte in Kürze das Informationsportal „Ausstieg aus der Tierhaltung“, das unter der Domain www.ausstieg-tierhaltung.de als niedrigschwellige Anlaufstelle für ausstiegswillige Landwirt:innen ebenso wie als Vernetzungsprojekt dienen soll. Die Webseite bietet Informationen zu möglichen Ausstiegsstrategien, Ansprechpartner:innen (Wissenschaft, Vereine, Bioverbände, Landwirtschaftskammern, staatliche Stellen, etc.) sowie zu Förderoptionen und alternativen Finanzierungsmöglichkeiten. Dazu gehören auch Kontakte zu erfolgreichen Aussteiger:innen sowie zu veganen Anbieter:innen, beispielsweise im Lebensmitteleinzelhandel, die im Falle des Umstiegs Rohstoffe abnehmen könnten. Zu diesem Zweck baut Menschen für Tierrechte aktuell ein Netzwerk auf, mit dem Ziel, ausstiegswillige Landwirt:innen mit der Vermittlung von Informationen sowie kompetenten und individuellen Hilfestellungen zu unterstützen. Jede aufgegebene Tierhaltung führt zu einer direkten Beendigung von Tierleid. Wenn Landwirt:innen aussteigen und attraktive alternative Einnahmequellen generieren, fungieren diese als Referenz und Multiplikator:innen für einen Systemwechsel weg von der Produktion tierischer Erzeugnisse.

Photo credit: Kelly Guerin / We Animals Media