Backyard Brains. Oder Tierexperimente im Kinderzimmer
Wer schon immer seinen Kindern ein Neurobiologie Experimentierset schenken wollte, kann das nun tun: inklusive echter Schabe und Anleitung dazu, ihr ein Bein abzuschneiden und Elektroden hineinzustecken oder sie zu präparieren und per Handy fernzusteuern. Die Verkäufer dieser Sets (backyardbrains.com) begründen Ihre Erfindungen damit, dass Hirnforschung wichtig sei – leiden doch 20% der Weltbevölkerung an neurologischen Erkrankungen: „… and there are no cures!“ Wir sollten also schleunigst mehr über das Gehirn in Erfahrung bringen. Warum nicht im Kinderzimmer damit beginnen und warum nicht Insekten dafür verwenden?
Greg Gage führt eines der Experimente (Cockroach Beatbox) u.a. auf TED vor und schafft es, die zuschauenden Kinder (alles zukünftige Backyard Experimentierer!) damit zu fesseln, dass er das abgeschnittene und mit Elektroden bestückte Schabenbein zum Rythmus eines Beatboxers tanzen lässt. Inzwischen taut die zur Amputation in Eiswasser lahmgelegte Schabe wahrscheinlich langsam wieder auf (nicht im Bild). Auch der (anfängliche) Schrecken der Kinder wird nur kurz gezeigt und am Ende weggelacht und wegapplaudiert.
Die RoboRoach, für die sich tatsächlich genügend mitfinanzierende Kickstarter fanden, wird so beworben: „Have you ever wanted to walk down the hall of your school or department with your own remote controlled cockroach?“ Welcher pubertierende Teenager sagt da nein, wenn es erst einmal hip geworden ist, ein solches Haustierchen mit in die Highschool zu bringen? RoboRoach ist „the world’s first commercially available cyborg! With our RoboRoach you can briefly wirelessly control the left/right movement of a cockroach by microstimulation of the antenna nerves. The RoboRoach is a great way to learn about neurotechnology, learning, and electronics!“
Was es aus ethischer Sicht außerdem ist: eine unnötige Schadenszufügung durch Laien – mehr noch, durch Kinder. Ein Schuss in den Rücken für jeden Wissenschaftler und Pädagogen, der zukünftige Generationen in einem ethisch vertretbaren Umgang mit Tieren unterstützen möchte. Die Forschung ist zwar nicht neu (das Argument mit der angeblich besonders bedeutenden Hirnforschung auch nicht)- die Vermarktung allerdings schon. Was kommt als nächstes? Das Kinderzimmerexperiment mit dem Meerschweinchen oder Familienhund? Sicherlich schafft die Botschaft „Lustige Tierexperimente zum Selbermachen“ neue Qualitäten in der Diskussion um die ethische Vertretbarkeit von Tierversuchen.
Kommentar: Judith Benz-Schwarzburg
https://www.backyardbrains.com/
Siehe auch einen darauf Bezug nehmenden Artikel im Österreichischen „Standard“: http://derstandard.at/1381368566698/Eine-echte-Schabe-zum-Fernsteuern